São Luis

Die Hauptstadt des Bundesstaates Maranhão hat 700.000 Einwohner und ist - trotz ihrer historischen und kulturellen Schätze - für den internationalen Tourismus bislang ein Insidertipp geblieben. Maranhão ist der zweitgrößte Bundesstaat des brasilianischen Nordostens und stellt in vielerlei Hinsicht eine Übergangszone zwischen dem Nordosten und der Amazonasregion dar. Während die Landschaften des Südens und Ostens des Bundesstaates hauptsächlich von semiaridem Sertão und großflächigen Babassupalmenhainen geprägt sind, kommt es im Norden und Nordosten zu regelmäßigen Regenfällen und tropischer Regenwald ist die vorherrschende Vegetationsform. Die Stadt São Luís selbst ist eine Mischung aus Amazonasregion und Nordosten, aus Fluss- und Seehafen, und mit wunderbaren Stränden gesegnet. In der lokalen Kultur verschmelzen europäische, afrikanische und indigene Traditionen auf eine selbst für Brasilien einzigartige Weise, was sich vor allem in der reichen Folklore der Region widerspiegelt. 

São Luís wurde 1612 zu Ehren von König Ludwig XIII. gegründet und hat somit, wie auch Rio de Janeiro, französische Wurzeln. Trotz eines Bündnisses mit den Tupinambá-Indianern war Frankreich an der Siedlung nur mäßig interessiert und diese kapitulierte zwei Jahre später vor den Portugiesen. Danach folgte zwischen 1641 und 1644 eine kurze Periode niederländischer Besetzung, was São Luís zur einzigen brasilianischen Stadt macht, die im Laufe ihrer Geschichte von drei Nationen besetzt wurde. Unter der portugiesischen Kolonialherrschaft erlebte der Hafen von São Luís durch den Zucker- und Baumwollexport eine Phase des Aufschwungs, bis im 19. Jahrhundert der Niedergang des auf der Arbeitskraft von Indigenen und afrikanischen Sklaven basierenden Plantagensystems einsetzte. Während Maranhãos ländliche Gebiete heutzutage wirtschaftlich vor allem auf die Verarbeitung von aus der Babassupalme gewonnenen Produkten setzen, ist in den Überschwemmungsgebieten jenes Teils des Bundesstaates, der zur Amazonasregion zählt, insbesondere auch der Reisanbau von großer Bedeutung.

In den letzten Jahren haben mehrere Großprojekte entscheidend zur Entwicklung Maranhãos beigetragen: Im Rahmen des Serra dos Carajás-Unterfangens wird Eisenerz aus einer der größten Lagerstätten der Welt per Bahn an die Küste gebracht, südlich von São Luís gibt es ein riesiges Aluminiumwerk und im strategisch günstig gelegenen Alcântara den berühmten Raketenstartplatz. Diese Initiativen haben - kombiniert mit der Entdeckung von Ölvorkommen - der Wirtschaft des Bundesstaates neues Leben eingehaucht und Zuwanderer aus anderen Teilen des Landes angezogen.

Das auf einer Insel zwischen zwei Flüssen gelegene Zentrum von São Luís, mit Blick auf die São Marcos-Bucht, ist sehr kompakt und somit ist es problemlos möglich, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zu Fuß kennenzulernen. Die Kolonialarchitektur von São Luís zählt zu den schönsten von ganz Brasilien und zeichnet sich insbesondere durch den verschwenderischen Einsatz von portugiesischen Fliesen aus, die in der ganzen Stadt in einer unglaublichen Fülle an Farben und Designs zu bewundern sind. Durch die Restaurierung von ungefähr 200 Gebäuden hat das 1989 initiierte Projekt „Reviver" maßgeblich dazu beigetragen, den Verfall dieses historischen Schatzes zu verhindern.

Zu den interessantesten Gebäuden der Stadt zählen die 1726 von den Jesuiten erbaute Catedral da Sé und der ein klein wenig an Versailles erinnernde Palácio dos Leões,  ursprünglich eine französische Festungsanlage und heute Residenz und Amtssitz des Gouverneurs von Maranhão. Die zwischen 1618 und 1641 erbaute Igreja do Desterro fällt vor allem durch ihre ungewöhnliche Fassade auf und ist die einzige byzantinische Kirche Brasiliens. Die Wasserspeier der legendären Fonte do Ribeirão bewachen den Eingang zu Fluchttunnel, die früher zu den Kirchen der Stadt führten. 

São Luís bietet eine Vielzahl guter Museen, die sich allen Aspekten der reichen Kultur und Geschichte der Stadt widmen: von sakraler Kunst über afrikanische Religionen bis hin zu zeitgenössischer Kunst. Im Salão de Bens Culturais ist außerdem eine umfassende Ausstellung zum Thema Bumba-meu-boi zu sehen. Diese einzigartige Tradition vermischt portugiesische, afrikanische und indigene Einflüsse und erlebt ihren Höhepunkt während der jährlich stattfindenden Juni-Feierlichkeiten, für die unzählige Truppen aus dem Landesinneren in die Hauptstadt reisen und in einem farbenfrohen Musikspektakel durch ihre Straßen tanzen. 
Auf der anderen Seite der São Marcos-Bucht liegt ein weiteres architektonisches Juwel: Alcântara. Die erste Hauptstadt von Maranhão wurde an jenem Abschnitt der brasilianischen Küste errichtet, wo die Portugiesen einst ihre ersten Zuckerrohrplantagen anlegten. Früher einmal die reichste Stadt des Landes, liegt der Großteil der älteren Gebäude Alcântaras heute in Ruinen - in krassem Gegensatz zu dem nahe gelegenen, ultramodernen Raketenstartplatz.

Obwohl das Meer die einzige Route zu den meisten Stränden der langen, nahezu unberührten Küste von Maranhão darstellt, gibt es einige tolle Orte, die über Straßen rasch und mühelos zu erreichen sind. Ponta de Areia ist am wenigsten weit von São Luís entfernt, während Calhau als malerischster und Araçagi als schönster Strand der Region gilt. Fährt man nach Araçagi noch ein Stück weiter, durch Palmenhaine und Hügellandschaften, gelangt man zu dem Bootsbauerstädtchen São José de Ribamar und dem charmanten Fischerdorf Raposa.

370 km östlich von São Luís liegt der Lençóis Maranhenses-Nationalpark, ein über 200 Quadratkilometer großes Wüstengebiet an der Küste, dessen einzigartige Landschaft von einer atemberaubenden Kombination aus gewaltigen Sanddünen - den sogenannten lençóis (wörtlich: "Bettlaken") - und Süßwasserlagunen mit kristallklarem Wasser geprägt ist. Zugang zu diesem spektakulären Ökosystem und seiner unverwechselbaren Fauna bietet die Stadt Barreirinhas.